Tauber Rohrbau GmbH & Co. KG
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Dethlinger Teich - Munitionsmüllhalde statt Erholungsoase
Dethlinger Teich - Munitionsmüllhalde statt Erholungsoase
Seit Oktober letzten Jahres machen sich einige unserer Kolleg:innen jeden Tag auf den Weg zum Dethlinger Teich - nicht zur Erholung, sondern im Schutzanzug und mit Atemschutzmaske. Denn von dem einstigen Teich ist schon lange nichts mehr zu erahnen. Hinter dem Namen Dethlinger Teich versteckt sich nämlich Deutschlands größte Räumstelle chemischer Munition.
Eine ehemalige wohl bis zu 12m tiefe Tagebaugrube für Kieselgur verwandelte sich Ende der 1920er Jahre nach der Stilllegung durch Regenwasser in einen Teich. Zwischen 1935 und 1952 wurden in diesem Teich unzählige Mengen an Kampfmitteln versenkt. „Es fing mit Resten der Rüstungsproduktion des dritten Reiches an, nach Kriegsende haben die Briten hier dann alles mögliche an Munition, aber eben vor allem auch chemische Kampfstoffmunition, entsorgt. Am Ende hat es dann das Bombenräumkommando Hannover auch noch genutzt“, erläutert Michael Boldt, Betriebsleiter der Tauber DeDeComp. Der Feuerwerker und ehemalige Oberfeldwebel der Bundeswehr kennt das Projekt bis ins Detail, denn seine Gesellschaft ist mit der K.A. Tauber Spezialbau sowie der Firma SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH in einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) gemeinsam für die Räumung des Dethlinger Teichs zuständig. „Das Projekt ist eine einmalige und große Herausforderung. Das gemeinsame Team aus Kollegen und Kolleginnen von TAUBER und SCHOLLENBERGER, dass wir hier geschaffen haben, ist aber absolut fantastisch“, freut sich Michael Boldt.
Im Mittelpunkt aller Arbeiten steht dabei die Arbeitssicherheit, denn die Räumstelle ist wegen der versenkten Munition schwerst kontaminiert und gefüllt mit unzähligen Granaten mit tödlichen Kampfstoffen. Aus diesem Grund wurde für die Räumung auch – einmalig weltweit – eine gigantische über 90 m x 100 m große, komplett freitragende Halle mit bis zu 22 m tiefen Fundamenten erbaut.
Zwei derjenigen, die am Dethlinger Teich täglich unter höchsten Schutzvorgaben arbeiten, sind die Chemikerin Dr. Victoria Petermann und der Maschinist Lucas Santos. Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie zum ersten Mal in der Halle waren?
Santos: Am Anfang war es schon ein bisschen komisch -wir wussten ja, was uns dort erwarten wird und davor sollte man natürlich Respekt haben. Aber Angst dort zu arbeiten hatte ich nie, dafür sind wir ja alle ausführlich ausgebildet worden.
Dr. Petermann: Respekt war definitiv vorhanden. Die ersten Augenblicke im Schutzanzug waren zwar ungewohnt, aber nach kurzer Zeit hatte man sich daran gewöhnt.
War es für Sie eigentlich sehr überraschend, dass sie einmal in so einer Halle stehen würden? Wie kamen Sie denn überhaupt zu TAUBER und dann letztendlich zum Dethlinger Teich?
Dr. Petermann: Ich war auf der Suche nach einem herausfordernden, aber auch abwechslungsreichen Job und habe dann durch Zufall die Stelle als Chemikerin bei TAUBER gesehen – es war für mich sofort klar, dass ich mich bewerben musste. Dass ich dann als Chemikerin und Truppführerin bei einer Jahrhunderträumstelle mit chemischen Kampfstoffen am Dethlinger Teich eingesetzt werde, ist dann wohl mehr oder weniger der logische Schritt.
Santos: Ursprünglich habe ich eine Ausbildung als Gartenlandschaftsbauer absolviert und anschließend etwa ein Jahr in diesem Bereich gearbeitet. Dann habe ich allerdings gemerkt, dass das nicht das Richtige für mich ist. Durch Zufall bin ich über den Vater eines Freundes zu TAUBER gestoßen. Ich begann als Helfer und habe mich seitdem zum Maschinisten weiterentwickelt. Als ich für die Räumstelle am Dethlinger Teich angefragt wurde, war ich sofort interessiert und begeistert von der Möglichkeit dort zu arbeiten.
Schauen wir einmal gemeinsam auf den Dethlinger Teich. Welche Altlasten werden dort vermutet?
Dr. Petermann: Es ist schwierig, konkrete Angaben zum Inhalt zu machen, da es keine genauen Aufzeichnungen darüber gibt, wie viele Kampfstoffe und wie viel Munition genau in dem Teich versenkt wurden. Die einzige verfügbare Aufzeichnung stammt von einem Arbeiter, der damals in einer Schicht dort tätig war und eine grobe Schätzung abgeben konnte. Allerdings ist unklar, wie zuverlässig diese Schätzung ist.
Welche Vorkehrungen mussten für das Projekt getroffen werden?
Dr. Petermann: Das Gelände wurde mit einer 10.000 Quadratmeter großen Halle überdacht. Zwei Sicherheits- und Dekontaminierungsschleusen wurden eingebaut, um einen strikten Ein- und Ausgang zu gewährleisten. Spezielle Filter wurden installiert, um sicherzustellen, dass keine kontaminierte Luft nach außen gelangt und die Umgebung geschützt bleibt. Darüber hinaus wurde ein Spezialbagger mit Elektroantrieb entwickelt. Zur Sicherheit der Kampfmittelräumer wurde festgelegt, dass jeweils nur zwei Arbeitskräfte und ein Geräteführer gleichzeitig in der Halle arbeiten dürfen. Zusätzlich sind ein Notarzt und zwei Rettungskräfte vor Ort, um im Notfall sofort eingreifen zu können.
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Welche Kampfmittel wurden bis jetzt gefunden und was passiert mit den Funden?
Dr. Petermann: Bislang haben wir eine Vielzahl an Überraschungen erlebt. Unsere Funde reichen von Munition aus verschiedensten Ländern wie Frankreich, Italien, Großbritannien und natürlich Deutschland. Wir haben auch immer wieder besondere Funde wie zuletzt mehrere italienische 30,5 Phosgen-Granaten, die leer 350 kg wiegen oder eine deutsche 7,7 Brandschrapnell-Granate aus dem Zweiten Weltkrieg. Überraschenderweise finden wir auch konventionelle Munition, darunter Panzergranaten und mittlerweile sogar 20.000 Zündladungen.
Santos: Jede Aufgrabung ist spannend, weil wir nie genau wissen, aus welcher Zeit die Kampfmittel stammen oder welche Art von Kampfstoffen wir finden könnten. Besonders der Gedanke, auf chemische Kampfmittel zu stoßen, erhöht die Spannung.
Wie wird sich das Projekt in Zukunft entwickeln?
Dr. Petermann: Aktuell sind wir im Zeit- und Finanzierungsplan. Aber was wir noch finden, ist eine große Überraschung. Die aktuellen Planungen gehen von einer Tiefe von 12 Metern aus, in denen wir Munition finden werden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich der Teich noch weiter abgesenkt hat. Die Probeöffnungen wurden damals nur bis zu einer Tiefe von 4,5 Metern gemacht - alles, was darunter liegt, bleibt ein großes Fragezeichen.
Santos: Wir graben uns schichtweise tiefer. Bei den vorgesehenen 12 Metern, stehen uns noch weitere sieben Schichten bevor. Und vermutlich liegen die Kampfmittel in den tieferen Schichten noch dichter als bisher. In Bezug auf die tägliche Arbeit erwarte ich aber keine Veränderungen, weil wir unsere Abläufe schon so optimiert und verinnerlicht haben.
Vielen Dank für Ihre Zeit und den spannenden Einblick in die Arbeit am Dethlinger Teich.
Das komplette Interview gibt es in unserem Mitarbeitermagazin TEAM.